top of page
  • gentsalverius

2024 / 03

003/2024

Liebe Leute,

bevor ich auf die anstehenden Konzerte im September 24 zu schreiben komme, möchte ich Euch von einer besonderen Begegnung berichten, die meine Frau und ich kürzlich in der Nähe von Rudolstadt in Thüringen hatten.

Dort trafen wir dank unserer Hündin Juli zufällig auf Alessandra Karlen, eine junge Poetry Slamerin aus Thüringen. Wir waren schnell in einem intensiven  und herzlichen Gespräch über das Leben und das Leben in Thüringen im Besonderen, und so las sie uns ihren Text „Wer schreibt“ vor, den ich hier mit ihrer Erlaubnis Euch weitergeben darf.

Wer schreibt, der bleibt

 

Stell dir vor, heute ist ein Geburtstag.

Stell dir vor, heute wird jemand 13 Jahre alt.

Bekommt ein Tagebuch geschenkt in das dieser jemand folgendes schreibt:

,,Ich werde, hoffe ich, dir alles anvertrauen können, wie ich es bei niemanden gekonnt habe und ich

hoffe, du wirst mir eine große Stütze sein. “

Wie viel musste man erleiden?

Stell dir vor, wie einsam man sein muss, um diese Wörter in ein Tagebuch zu schreiben.

Vielleicht runzelt sich fragend deine Haut-

Und du überlegst, warum man sich lieber einem Tagebuch, statt einem Menschen anvertraut.

Oder aber du willst darin kein Grund zur Sorge sehen,

Mit 13 will man eben-

Nicht über alles reden.

Das kannst du verstehen.

Aber stell dir vor: dieser jemand wollte,

Doch durfte und sollte nicht reden.

Nein, diesen jemand sollte es überhaupt nicht geben.

Bis jetzt ist all das nur eine Vorstellung,

Es ist ein Spiel der Gedanken,

Sollte jemand den roten Faden verlieren,

Ist das nicht schlimm,

Denn so etwas kann in der Wirklichkeit doch nicht passieren.

Heute, da ist es ein Spiel unserer Gedanken.

Doch vor 82 Jahren ist das wirklich passiert,

Vor 82 Jahren hat dieser jemand in der Wirklichkeit existiert.

Ich sitze hier,

Sehe dich vor mir.

Heute ist dein Geburtstag.

Heute wärst du 95 Jahre alt geworden,

Aber du! Du durftest nicht alt werden,

Musstest schon mit 15 sterben.

Auf dem Datum meines Kalenders steht der 12.06. 2024

In sechs Tagen werde ich meinen Uropa in den Arm nehmen,

Zum Geburtstag gratulieren.

Eine 95 wird seine Torte zieren.

Du warst sechs Tage älter als er,

Ab 1945 warst du es nicht mehr.

Du warst 15 und wirst es immer bleiben.

Denn Hass und Wahnsinn haben Nationalsozialist*innen angetrieben,

Sie haben über dein und unzählige andere Schicksale entschieden.

Du bist keine 16 mehr geworden,

Wurdest stattdessen ein Opfer von millionenfachen Morden.

Du und mein Uropa wart Kinder.

Wart euch ähnlich in so vielen,

Aber durch das Dritte Reich,

Wart ihr nicht mehr gleich!

Denn du warst eine Jüdin.

Dein Wunsch war es, Journalistin zu werden.

Doch das wollte niemand wissen.

Weil andere glaubten, sie wüssten alles über dich,

Bekamst du an die Kleidung einen Davidstern,

Damit hielt man alle von dir-

Und dich von allen fern.

Mein Uropa wurde auch von Krieg und Flucht geprägt.

Aber er hat wenigstens überlebt.

Weil er ein “echter Deutscher“ war.

Und während er mir am Tisch wieder von seiner Heimat erzählt,

Die Erinnerung an all das Leid ihn quält,

Wählen die nächsten Generationen wieder Farben der Nacht.

Es gibt wieder Menschen, die die Reichsflagge hissen,

Und zu wenig wollen davon wissen.

Es ist so leicht wegzuschauen,

Der Wolf trägt einen Schafspelz-

Seine Weste ist weiß,

Das Hemd aber braun.

Es ist so leicht sich einfach führen zu lassen,

Von altbekannten Schergen,

Schnurstracks ins Verderben.

Dabei haben doch unsere Vorfahren nach dem Ende des Kriegs,

Das Versprechen NIE WIEDER gegeben.

Wir können vielleicht sagen,

Das wir nicht Schuld sind, an dem was geschah.

Aber damit sind wir doch nicht entschuldigt,

Von der Verantwortung die wir haben.

Der Verantwortung, dass nie wieder so viel Gewalt existiert,

Der Verantwortung, dass das gegebene Versprechen nicht an Bedeutung verliert.

Ich könnte jetzt sagen,

Lasst uns nicht stumm zusehen.

Ich könnte sagen,

Es sind meine, eure, unserer aller Stimmen,

Die nicht aufhören dürfen zu reden.

Denn wenn wir die Geschichte nicht erinnern,

Werden die Lehren der Vergangenheit,

Unter dem Staub der Jahre begraben,

In Vergessenheit geraten.

Ich könnte sagen,

Wenn wir die Geschichte nicht erinnern,

Wird sie sich wiederholen,

Eher früher als später,

Und dann sind wir Täterin und Täter,

Können nicht mehr sagen,

Dass wir keine Schuld haben.

Ich könnte all das sagen,

Doch ich glaube,

Ihr, Wir wissen das schon.

Darum möchte ich euch nur bitten,

Nicht zu vergessen:

Hass kann niemals eine Antwort sein!

Schon gar nicht auf Gewalt.

Hass kann nur entzwei ‘n.

Statt auseinander zu gehen,

Ist es doch gerade jetzt wichtiger denn je,

Zusammen zu stehen.

Mit Liebe und Güte zu leben,

Gegen Rechtsextremismus, Unrecht und Gewalt weiter die Stimmen zu erheben.

Denn wenn wir weiter Schweigen.

Wird am Ende vielen Menschen nichts anderes übrigbleiben,

Als wieder Tagebuch zu schreiben.

Dann wärst du kein Beispiel mehr aus der Vergangenheit,

Sondern wieder Wirklichkeit.

Heute ist dein Geburtstag.

Vor 95 Jahren begann dein Leben,

Vor fast 80 Jahren hat man es zerstört,

Doch durch dein Schreiben,

Wirst du lebendig bleiben.

Heute ist der 12.06. 2024.

Ich sitze hier,

Sehe dich vor mir.

Liebe Anneliese Frank zu deinem Geburtstag gratuliere ich dir.

 

Ich kann nur hoffen, dass es viel mehr solche jungen Menschen in unserem Land gibt. Und wünsche Alessandra, dass sie weiter auch solche Themen in ihren Texten anspricht, die nicht nur wohl tuen, sondern die sperrig sind und herausfordern.

 

Aber nun möchte ich auf zwei Konzerte hinweisen, die im September stattfinden.

Am 10.September darf ich zusammen mit meinem ostfriesischen Liedermacher-Kollegen Jann Janssen und Bobbo Byrnes aus Kalifornien die neue Veranstaltungsreihe „Musiker up  Stippvisit“ im Haxtumer Speicher eröffnen.

 

Und am 21.September ist es endlich soweit.

Begleitet von Sievert Ahrend und Willem Nijenhuis darf ich meine Stücke im ehrwürdigen Kurtheater in Norderney präsentieren.

Ein Auszug aus dem Pressetext:


Im April diesen Jahres trafen sie schon einmal musikalisch im Kulturspeicher Leer zusammen: Gent Salverius und der Multiinstrumentalist Sievert Ahrend.

Danach war ihnen klar: dieses Konzert darf kein einmaliges Ereignis bleiben!

 

Schnell war auch die Idee geboren, den gemeinsamen Freund Willem Nijenhuis dazu zu bitten.

Und wenn sich ein Insulaner, ein Ostfriese und ein Niederländer verabreden, gemeinsam zu musizieren, kommt meistens auch „wat bi rut“!

Ahrend: „Den hiesigen Liedermacher, Singer/ Songwriter Gent Salverius bei seinem eigenen Liedgut zu begleiten, stellt auch mich vor neue musikalische Herausforderungen, auf die ich mich sehr gerne einlasse.“

 

Willem Nijenhuis ist schon seit 2019  immer wieder an Salverius` Seite zu hören. Salverius: „Er ist mein Mentor, der mir schon oft mit Rat und Tat zur Seite stand.“

Mit ihrem musikalischen Können haben Willem Nijenhuis und Sievert Ahrend seit vielen Jahren auf internationalen und nationalen Bühnen das Publikum begeistert.

 

Es wird ein ganz besonderer Abend werden, versprochen!

 

Ich freue mich sehr darauf, Euch bei einem dieser Konzerte zu treffen!

Und wenn es nicht passen sollte, es sind einige für Herbst 24 und natürlich auch 2025 in Vorbereitung, sowohl solo als auch mit Band. Lasst Euch überraschen.

Oder Ihr überrascht mich und plant mit mir ein weiteres Konzert. Ich freue mich auf Euren Kontakt!

Tel.  01624558108

Bis dahin ...

5 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

2024 / 02

Liebe Leute, die letzten Wochen waren ereignisreich. Und nun, kurz vor der Sommerpause, möchte ich einfach Dankeschön sagen. Danke für...

2024 / 01

Liebe Leute, was ist das für ein Jahresbeginn. Privat und musikalisch kann es kaum besser sein, aber angesichts der populistischen und...

2023 / 05

Liebe Leute, das erlebnisreiche Konzertjahr 2023 ist nun für  uns vorbei (Falls nicht jemand noch eben schnell anfragt). Anfang Oktober...

コメント


bottom of page